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Podiumsgespräch über Seniorenpolitik am 10. März 2011
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Der Kreisseniorenrat Landkreis Karlsruhe lud gemeinsam mit dem Seniorenrat der Stadt Bruchsal und der AG-Senioren-Bruchsal am 10. März 2011 von 16 in den Gasthof Graf Kuno, zu einem Podiumsgespräch mit den fünf Landtagsabgeordneten (bzw. deren Stellvertretern) des Wahlkreises Bruchsal 29 zum Thema Seniorenpolitik in Baden-Württemberg.
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Rolf Freitag bei der Eröffnung der Podiumsrunde
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Erstmals luden die beiden Seniorenräte und die AG Senioren Vertreter aller politischen Parteien im Vorfeld von Wahlen zu einem Podiumsgespräch. Zwei der fünf eingeladenen Landtagskandidaten waren verhindert und ließen sich vertreten. Unter der Leitung von Rolf Freitag, Vorsitzender des Seniorenrats des Landkreises Karlsruhe e.V., nahmen teil:
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- Gabriele Aumann, Bündnis 90 Die Grünen
- Friedhelm Ernst, FDP
- Walter Heiler, SPD
- Hedwig Prinz, CDU
- Heinz Peter Schwertges, Die Linke
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Die Kandidaten waren gut vorbereitet und gaben nach der ausführlichen Vorstellung durch Rolf Freitag sachliche Statements über die Schwerpunktthemen Sozialpolitik, Seniorenpolitik. Der Zeitrahmen von 10 Minuten wurde von allen respektiert, ideologisch begründete Emotionen gab es wenig, so dass anschließend noch Zeit für Diskussionen war. Nach gut zwei Stunden wurde das Treffen beendet. Viele der drei Dutzend Teilnehmer sprachen sich dafür aus, dass derlei Informationsveranstaltungen durchaus sinnvoll seien und öfter stattfinden sollten.
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Zur allgemeinen Überraschung gab es bei den Aussagen der Kandidaten so manche Übereinstimmung. Haarsträubende Ausreißer gabe es wenig, so dass Walter Heiler - er war der Letzte in der Reihe der Vorstellungen - launisch meinte, er werde sein Redemanuskript beiseite legen, denn alles was die SPD anstrebe, sei mehr oder weniger von den Vorrednern gesagt worden. Nachfolgend einige Highlights aus den Redebeiträgen der Kandidaten, in der Reihenfolge des Auftretens (alles stark gekürzt):
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Gabriele Aumann, Bündnis 90 die Grünen
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Die Grünen verfolgen vier Top-Themen: 1. Energie: Ja, energetische Sanierung der Häuser lohne sich auch noch für Senioren. 2. Gesundheit und Soziales: Ehrenamt sei ganz entscheidend und müsse gefördert werden. Ein freiwilliges Soziales Jahr für Senioren wird vorgeschlagen. Dem Ärztemangel im ländlichen Raum müsse mit Gesundheitszentren begegnet werden. 3. Stadtentwicklung und Verkehr. Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes, besonders in der Fläche, hat Vorrang. Die Grünen sind für den Kopfbahnhof Stuttgart (K21). Mit dem eingesparten Geld könne man in der Fläche investieren. 4. Bildung/Kultur.
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Lebenslanges Lernen sei erforderlich. VHS unterstützen. Internet auch für ältere Bürger. Baden-Württemberg müsse mehr Mittel bereitstellen, da dieses wohlhabende Land weit unter dem Bundesdurchschnitt liege.
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Hedwig Prinz, CDU
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Demografischer Wandel: Die Menschen werden älter, weniger und bunter (kulturell, ethnisch). Dies sei nichts Bedrohliches. Sachliche Diskussion sei ebenso erforderlich, wie die Bereitschaft zu Veränderungen. “Zukunft gestalten!” Dazu gehöre auch, dass mehr auf altersgerechte Arbeitsbedingungen an den Arbeitsplätze geachtet würde. Ehrenamt sei ein gutes Mittel, um die Generationen zusammenzuhalten.
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Heinz Peter Schwertges, Die Linke
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Angriff auf die etablierten Parteien. Rente mit 67 (Müntefering) zurücknehmen. Alle Bürger in die gesetzliche Rente. Bessere Teilhabe der Senioren. Billigere Taxitarife. Billigere Tickets bei Veranstaltungen. Pflege: Miserable Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung der Beschäftigten. Minutenpflege, völlig unzureichend für die Patienten. Dies ein Beweis gesellschaftlicher Ausgrenzung und Geringschätzung. Pflege-Bewertungssystem müsse realistischer werden. Recht auf Einzelzimmer im Pflegeheim. Mehr Mehrgenerationenhäuser, die bezahlbar sein müssen. Flächendeckender Ausbau der Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg.
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Friedhelm Ernst, FDP
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Seniorenpolitik hat sich bereits gewandelt. Ältere Menschen sind heute fitter, gehen zur Wahl, geben mehr Geld aus, als die Jungen. Seniorenpolitik ist Teil der Gesellschaftspolitik. Politische Teilhabe ist eine wesentliche Bereicherung für die Weiterentwicklung einer lebendigen Gesellschaft. Senioren erwarten, das ihre Leistungen gewürdigt werden und dass Altersdiskriminierung vermieden wird. Sie brauchen keine Sonderrechte. Diskriminierende Gesetze gehören abgeschafft. Neue Tätigkeitsfelder müsse man erschließen, auf denen die Älteren ihre Kraft, Kompetenz und Lebenserfahrung einbringen können.
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So werde es möglich, dass sie möglichst lange ein selbständiges Leben führen können. Die geriatrische Versorgung müsse optimiert werden und der Qualitätsstandard in der Altenpflege angehoben werden. Die Bezahlung der Beschäftigten in der Pflege müsse “stimmen”.
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Walter Heiler, SPD
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Als letzter Redner meinte Walter Heiler, die Vorredner hätten mit vielen ihrer sozialpolitischen Argumenten sicher recht, allerdings sei es erstaunlich, dass die Frage der Finanzierung so mancher Wünsche bislang nicht gestellt worden sei. Er illustierte den demografischen Wechsel mit der Anzahl der Glückwunschkarten, die der Bundespräsident bislang für 100-jährige Jubilare unterzeichnet hätte. Hier würden die Zahlen innerhalb weniger Dekaden von weniger als jährlich 1.000 auf 44.000 im Jahre 2025 ansteigen. Ein Umdenken müsse in den Köpfen der Menschen stattfinden.
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Der Jugendwahn sei vorbei. So sei es eine veraltete Denkweise, wenn ein erfahrener, gesundheitlich fitter Vereinsvorstand beim Erreichen des Pensionsalters ankündigt, er wolle nun zurücktreten und das Amt “in jüngere Hände” legen. Ehrenamt müsse in der Kommune stattfinden. Hier erleben die Menschen, was Demokratie heißt. Insofern sind die Kommunen die Orte, wo es um Seniorenpolitik geht. Allerdings - die Kommunen müssten finanziell anständig ausgestattet werden. Dies sei leider nicht der Fall. Die SPD trete dafür ein, dass die Kommunen das Geld bekommen, das sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.
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Abschlussdiskussion
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Zum Schluss der Veranstaltung wurden die Themen “Ehrenamt” und “medizinische Versorgung im ländlichen Raum” diskutiert - zum Teil recht kontrovers.
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Förderung des Ehrenamts: Anerkennungskultur
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Welche Möglichkeiten der Förderung des Ehrenamtes gibt es? Ist Bezahlung der Ehrenamtlichen in der Art der sportlichen Übungsleiter (die wenig genug Geld bekommen) denkbar? Diese Frage wurde weitgehend verneint. Ehrenamtliche wollen kein Geld vom Staat. Ein Vorschlag war - (geringe) Steuervorteile für Ehrenamtliche. Ein Argument war - Ehrenamtliche dürfen keine staatlichen Aufgaben übernehmen. Das Gegenargument: Oft genug führen Ehrenamtliche sehr wichtige Aufgaben durch. Tut also nicht, als dürfe man ihnen nur banale Handlangerdienste übertragen!
Förderung des Ehrenamtes sei in der Regel keine Frage des Geldes. Ehrenamtliche erwarten Wertschätzung, eine Verbesserung der Anerkennungskultur sei in Baden-Württemberg nötig. Ein Blick nach Hessen zeige, was die Landesregierung tun könne, um ehrenamtliches Engagement zu fördern, indem sie nämlich an Vergünstigungen teilhaben können. Kein Geld vom Staat! eCard - Ehrenamtskarte Hessen: Ehrenamtliches Engagement verdient Anerkennung!
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Medizinische Versorgung im ländlichen Raum
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Hedwig Prinz: Ärztemangel sei in Baden-Württemberg nicht wirklich ein Thema. Im ländlichen Raum gebe es aber teilweise eine Unterversorgung. Vorschlag: Regelwerk ändern. Zulassen, dass Ärzte Mediziner als Assistenten einstellen, gestatten, dass Ärzte Außenstellen eröffnen.
Walter Heiler: Zweigstellen stehen auch im SPD-Programm. Es sei auch nicht verwerflich, wenn Ärzte nach langem, teuren Studium Geld verdienen wollen. Die Infrastruktur, das Umfeld müsse stimmen (Einkaufsmöglichkeiten, Kindergärten, Schulen etc.), dann gehen die jungen Ärzte auch aufs Dorf. Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen.
Prof. Dr. Heinrich Wittlinger: Es gibt noch Ärzte/Ärztinnen, die Familien gründen wollen. Auf den Dörfern müsse die Kinderbetreuung ausgebaut werden, damit Familie und Beruf möglich werde.
Heinz Peter Schwertges: Ärztemangel sei nicht das größte Problem hierzulande. Möglichkeit von angestellten Ärzten zulassen.
Dr. Peter Hummel: Gemeinschaftspraxen sind nicht per se schlecht. Früher gab es auf dem Lande das Problem nicht. Landärzte arbeiteten durchschnittlich mehr Stunden, als die städtischen Kollegen. Mehr Arbeit, mehr Geld. Durch die gesetzlichen Deckelungsmaßnahmen sei Mehrarbeit unattraktiv geworden.
Friedhelm Ernst: Bezahlt eure Ärzte anständig! Es geht nicht an, dass der Klempner einen wesentlich höheren Stundenlohn hat, als der Doktor. Die Bürokratie müsse drastisch reduziert werden, und die Residenzpflicht gehöre abgeschafft.
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Schlussbetrachtung
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Bei den fünf Parteien war der Wille zu einer verantwortungsvollen Senioren- und Sozialpolitik klar erkennbar, jedoch gibt es unterschiedliche Auffassungen über Mittel und Wege. Die meisten Parteien haben inzwischen gelernt, dass die Menschen älter werden und dass dies Geld kosten wird. Da die Kommunen die Hauptverantwortung tragen, ist es unabdingbar, dass sie finanziell entsprechend ausgestattet werden. Über die künftige Rolle der Ehrenamtlichen bestehen zwar unterschiedliche Auffassungen, jedoch gibt es keinen Zweifel - die Bedeutung des Ehrenamtes wird weiter zunehmen, und das Thema “Anerkennungskultur” bleibt auf der Tagesordnung.
Diese Art des Podiumsgesprächs fördert die Transparenz im politischen Alltag und könnte als Modell für ähnliche Veranstaltungen dienen.
Rolf Freitag bedankte sich abschließend bei den Kandidaten und den Teilnehmern für die fruchtbare Diskussionsrunde und gab allen mit auf den Weg “Nehmen Sie Ihr Wahlrecht ernst - Sie entscheiden damit über die Zukunft Ihres Landes!”
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Text und Fotos © Dieter Müller
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Sie befinden sich auf der NAIS-Projekthomepage - “Neues Altern in der Stadt”. Hier geht es um Gesundheitsförderung und Prävention in einer alternden Gesellschaft. Ziel ist es, Menschen zu bewegen und Bruchsal besonders auch für die ältere Generation liebenswert und lebenswert zu gestalten. Wir richten uns nicht allein an Seniorinnen und Senioren, sondern streben in allen Fragen einen fairen Dialog der Generationen an. Bruchsal ist Mitglied des deutschlandweiten NAIS-Projekts der Bertelsmann Stiftung. |
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